SPÖKENKIEKER
Tod am Runenstein

Im neuen Fall der Wolf-Brüder treibt ein Nachzehrer im Luhetal sein Unwesen und in der Raubkammer üben Geister Selbstjustiz.

Die Vorfälle überschlagen sich: Josef und Vincent Wolf haben Mühe, nicht selbst getötet zu werden. Zu spät bemerken sie den Verrat aus den eigenen Reihen. Zusätzlich setzt Elizabeth mit einem Mord am Runnenstein eine Reihe von Ereignissen in Gang, mit deren Verlauf keiner gerechnet hat.

Als die Moorkirche ein neues Opfer findet und sich das Tor zur Unterwelt öffnet, sind die Brüder bereit alles zu opfern, was sie lieben, um Bispingen vor dem Untergang zu retten.

Die Bücher sind erhältlich bei

Leseprobe aus Kapitel 2

SPÖKENKIEKER

Tod am Runenstein

 

In dieser Nacht war es auf dem Holhorstberg besonders still. Obwohl ein leichter Wind die Bäume streifte, war kein Rauschen zu hören. Die typischen Geräusche des Waldes waren nicht da. Es war totenstill. Der Vollmond schien durch die Baumwipfel und ließ den Wald kalt und unheimlich wirken. Dem Erdtrabanten wurde von jeher eine besondere Kraft zugeschrieben. Seine Energie konnte Gutes und Böses bewirken. Mit Letzterem kannte sich Elizabeth besonders gut aus. Neben der Bank, auf der sie saß, stand ein großer Runenstein. Der Findling wurde auch Gebetsstein genannt. 
Es gibt mehrere Theorien, wie der Stein hier hergelangt war. Eine davon besagt, dass im achten Jahrhundert Karl der Große die Runen in Form von zwei nebeneinanderliegenden Kreuzen in den Stein schlagen ließ, um den Bewohnern das Christentum näher zu bringen. Eine andere Vermutung geht davon aus, dass der Stein ein Ritualstein der Langobarden war, die hier ansässig waren, bevor sie im zweiten Jahrhundert weiter in den Süden zogen. Welche Aussage richtig war interessierte Elizabeth nicht wirklich. 
Eine Allee aus Eiben führte zu diesem besonderen Ort. Mitten im Wald, an einem Hang, bot der Ort tagsüber für Touristen und Einheimische eine wunderbare Aussicht über Wiesen, Felder und die Ortschaften Hützel und Steinbeck. Aber es war auch ein Ort voller Magie, und Elizabeth konnte die Kraft, die von dem Stein ausging, in jeder Faser ihres Körpers spüren. Es war ein berauschendes Gefühl.

Als würde sie sich sonnen, saß Elizabeth weit zurückgelehnt mit geschlossen Augen auf der roten Bank. Sie genoss das kalte Licht auf ihrer Haut. Es waren keine sechs Grad in der Nacht und doch trug sie nur ihren dunklen Hosenanzug. Ein normaler Mensch hätte bestimmt gefroren, aber sie war so weit von der Normalität des Menschseins entfernt, wie es nur ging. 
Als sie zur Welt kam war ihre Mutter bereits von einer Plage besessen. Diese Plagegeister waren an Orte oder Dinge gebunden, die ihnen vor dem Tod gehörten. Allerdings, wenn sie eine Hülle fanden, dann konnten sie sich frei bewegen und ihre Macht nutzen. Vorzugsweise waren es menschliche Körper. Der Plagegeist übernahm den Körper wie ein Parasit, und die eigentliche Seele wurde einfach tief in ihr Unterbewusstsein verdrängt. 
Elizabeth besaß keine Menschlichkeit. Mitgefühl oder Liebe kannte sie nicht. Für Elizabeth war nur Elizabeth wichtig und das Streben nach Macht. 
Zusammen mit ihrer Mutter hatte sie über Jahre hinweg alles vorbereitet und Hindernisse, wie ihren Vater, aus dem Weg geräumt. Danach hätte alles so einfach sein können, wenn nicht ihre Brüder aufgetaucht wären. 
Nach dem Tod ihres Vaters beschlossen sie, gegen das Böse zu kämpfen und somit auch gegen sie und ihre Mutter. Als ihre Brüder einen Plagegeist vernichteten und damit Elizabeths Pläne durchkreuzten, hatten sie mehr Glück als Verstand.

Der Wolf setzte sanft eine Pfote vor die andere, als er sich der roten Bank von hinten näherte. Das dunkle Fell unterschied sich nur wenig vom Dunkel der Nacht. Einzig die Augen glühten rot auf, als er hinter Elizabeth stehen blieb. Das Tier gab keinen Laut von sich und doch wusste Elizabeth, dass er ihr nichts tun würde. Der Wolf diente lediglich einem Dämon als Hülle, um mit ihr in Verbindung treten zu können. Dämonen waren nichts anderes als böse Geister. Es gab sie in den unterschiedlichsten Varianten. Poltergeister, Plagegeister und viele mehr. Aber eins hatten sie alle gemeinsam: Sie waren eine Horde bösartiger Wesen, die einem Anführer folgten, und dem sie Bericht erstatteten. Ohne den Blick vom Sternenhimmel abzuwenden, begann sie leise zu sprechen:
„Sage ihm, dass es nicht mehr lange dauert.“ Der Wolf gab ein Knurren von sich. 
„Habt Geduld. Das Tor wird sich bald für Euch öffnen.“
Jetzt fletschte der Wolf seine Zähne.
„Seit unbesorgt. Meine Brüder werden keinen Ärger machen. Sie werden viel zu beschäftigt sein, sich selbst zu retten“, erklärte sie unbeeindruckt.

In diesem Moment hörte Elizabeth Männerstimmen, die sich aus Richtung der Eibenallee näherten. 
„Sag ihm, dass alles nach Plan läuft.“ Mit den Worten wandte sie sich dem Wolf zu. Doch er war verschwunden. 
Unbeeindruckt stand sie von der Bank auf. Dabei fiel ihr Blick auf die Machete, die am Runenstein lehnte. Sie stellte sich neben den Findling, um die Männer zu empfangen. Es war nicht das erste Mal, dass sie sich mit den drei Männern traf. Über die Jahre führten ihre Mutter und sie eine „Geschäftsbeziehung“.
Innerlich musste sie über die Männer grinsen. Sie glaubten doch tatsächlich, nur weil sie zu den Botschaftern der Ortschaften gehörten, wüssten sie, was in Bispingen vor sich ging, und hätten ein Mitspracherecht. Elizabeth hatte fast Mitleid mit diesen armen Kreaturen, diesen Menschen. Sie waren lediglich Bauern im großen Spiel der Könige.

„Meine Herren, ich muss ihnen danken, dass Sie bereit sind, sich mit mir hier zu treffen“, begann sie.
Die drei Männer stellten sich vor ihr in einer Reihe auf. Vielleicht sollte es sie einschüchtern, dachte Elizabeth. Sie ließ sie in dem Glauben.
Links vor ihr stand Werner Harmes. Ein hagerer Mann mit Brille und Halbglatze, die er mit einem Basecap versuchte zu verbergen. Seine zerschlissene Jeans und Hemd ließen ihn nicht besser aussehen. Elizabeth hatte den Botschafter von Hörpel nur ausgewählt, weil sie seinen Hass spüren konnte. Er war absolut nicht damit einverstanden, dass Robert Wolf seine Söhne mit in den Botschafterkreis einbringen wollte. Nach dessen Tod war er noch mehr davon überzeugt, dass es einen anderen Weg für Bispingen geben musste. Aus diesem Grund waren auch die anderen zu diesem Treffen bereit gewesen. In erster Linie ging es ihnen um sich selbst. Neben Werner stand Hein Grotes. Sein Alter schätzte Elizabeth auf Mitte Sechzig. Er war das komplette Gegenteil zu Werner. Klein und füllig. Ihm gehörten viele Ländereien und Wälder. Als Jäger schoss er auf alles, was sich bewegte. Dabei bewegte er sich so wenig wie möglich. Selbst jetzt war er mit seinem Geländewagen direkt vor die Eibenallee gefahren. Trotzdem schnaufte er laut, als er die fünf Meter bis zum Treffpunkt hinter sich gebracht hatte.

Die größte Rolle schrieb Elizabeth Walter Müller zu, dem Botschafter von Behringen. Er war nicht nur Botschafter, sondern saß gleichzeitig im Rat der Gemeinde Bispingen. Mit seiner Stimme konnte sie ihren Plan ein ganzes Stück voranbringen. Walter war gerade dreißig Jahre alt. Immer korrekt gekleidet und bei allem, was er tat, sehr genau. Selbst jetzt trug er unter seinem Mantel einen Anzug mit Krawatte. Sein Ehrgeiz und das Streben nach Macht waren ihm direkt anzusehen. Dieser Mann würde über Leichen gehen, wenn es ihm diente. Und nichts blieb von ihm unbemerkt. Jede kleine Anomalie in seiner Ortschaft wurde sofort gemeldet, ob sie nun übernatürlichen Ursprungs war oder nicht.

„Warum wollen Sie mit uns sprechen?“, begann Walter.
„Unser Deal besteht mit Ihrer Mutter. Wir informieren Sie, was im Kreis der Botschafter besprochen wird, dafür lassen Sie unsere Ortschaften und Familien in Ruhe.”
Mit einer Handbewegung unterbrach sie ihn. 
„Das bleibt auch so. Nur das ich jetzt mit Ihnen verhandle. Meine Mutter ist gerade nicht bei klarem Verstand. Daher übernehme ich die Geschäfte. Es ist alles in Ordnung.“
Jetzt mischte sich Werner ein. 
„Das haben Sie auch schon gesagt, als Sie Robert getötet haben!“
Er baute sich vor Elizabeth auf. 
„Aber seit ihre Brüder aufgetaucht sind, scheint es uns nicht so, dass Sie noch die Kontrolle hätten, Elizabeth!“
Respektvoll wich Elizabeth zwei Schritte hinter den Runenstein zurück. Werner konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Vor der Mutter hatte er noch Respekt gehabt, aber von einem daher gelaufenen Mädchen ließ er sich keine Befehle erteilen. Was dachte sie eigentlich, wer sie war. Elizabeth sah die Überheblichkeit in seinem Gesicht. Wie oft hatte sie diesen Ausdruck bei ihren Gegnern schon gesehen. Wie oft wurde sie schon unterschätzt. Sie spielte die verängstigte Frau, dabei ging sie etwas in die Knie, um nach der Machete greifen zu können. In dem Moment, als ihre Finger den Griff umschlossen, war es für Werner schon zu spät. 
Der Schnitt war schnell und so präzise, dass der Kopf nicht fiel, obwohl Elizabeth ihn mit einem Hieb vollständig vom Rumpf getrennt hatte. Werner sah sie an, als könne er nicht begreifen, was gerade geschehen war. Solange er sich nicht bewegte, pumpte das Herz weiter das Blut in Richtung des Kopfes. Aber statt in den Kopf quoll es aus der Wunde und lief den Hals herunter.
Bevor Elizabeth die Machete senkte, stieß sie Werner mit der Spitze an die Brust. Sein Körper kippte zur Seite. Der Kopf fiel zu Boden. Völlig schockiert von der Situation starrte Hein Grotes auf den Kopf, der mit weit aufgerissenen Augen an ihm vorbei den Hang herunterrollte und in der Dunkelheit verschwand. Sekunden später war ein Zischen zu hören und Funken sprühten. Der Elektrozaun am Ende des Hanges hatte den Kopf gestoppt.

 

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